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Tintin

Die Chance nach der letzten

Die Verzweiflung des arbeitslosen Menschen und die Grenzen des Arbeitgebers, der nur scheinbar am längeren Ast sitzt

Alter:
Erwachsene

Personen:
2 - 3 Personen
1D, 1H

Dauer:
Abendfüllend

Uraufführung:
Juni 2010
Theater Skyline, Frankfurt

Raoul Biltgens Theaterstück DIE CHANCE NACH DER LETZTEN wurde am Deutsch-Sorbischen Theater Bautzen in nieder- und ober-sorbischer Übersetzung gespielt.

Sarah ist achtzehn Jahre alt und arbeitslos. Mit sechzehn hat sie die Schule abgebrochen und sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Seit zwei Jahren ist sie vergeblich auf der Suche nach einer ordentlichen Beschäftigung.

Als sie zu einem Vorstellungsgespräch für eine Teilzeitstelle als Verkäuferin für Dessous und Unterwäsche geladen wird, rückt die Hoffnung auf ein normales Leben wieder ein kleines Stück näher. Doch der Chef der Firma, Claus Ammer, verabschiedet sie nach einer kurzen Unterhaltung durchaus freundlich mit den Worten: Wir melden uns bei Ihnen.

Sarah bedroht in einem Kurzschlussakt den potentiellen Arbeitgeber mit einer Waffe und vergibt damit ihre letzte Chance auf den Arbeitsplatz, den sie wahrscheinlich sogar bekommen hätte. Sie zwingt Ammer, sich mit ihrer Situation über oberflächliche Floskeln hinaus auseinanderzusetzen. Dabei provoziert sie ihr Gegenüber mit Vorwürfen, die -ausgehend vom Verkaufsartikel Dessous und Unterwäsche- durchaus sexistische Ebenen berühren. In ihrer Verzweiflung tappt sie aber dabei selbst in die Falle der Klischees und schneidet sich immer mehr ins eigene Fleisch. Ammer, der anfangs die hierarchischen Spielchen des Vorgesetzten bedient, steigt von seinem Chefsessel jedoch zeitweise herunter. Durch die gewaltsame Konfrontation kommen sie einander wirklich näher, doch der Arbeitsplatz und die damit verbundene Möglichkeit auf ein normales Leben rücken immer weiter in die Ferne. Die letzte Chance ist verspielt. Aber gibt es vielleicht doch noch eine Chance nach der letzten?

Raoul Biltgen zeigt einen scheinbar ausweglosen Kampf um das Recht auf Arbeit. Zwei Menschen in gegensätzlicher Position, bei dem es eine Verliererin und keinen Gewinner gibt. In ihrer Verzweiflung zwingt die junge Frau den Vorgesetzten in die Enge, in der sie sich selbst befindet. Für kurze Momente befinden sie sich auf selber Höhe, ein existentieller Schlagabtausch beginnt, bei dem alles offen gelegt wird. Dabei gibt es weder gut noch böse, sondern nur Menschen, die an Fäden hängen, die sie selbst gar nicht mehr ziehen.

Sie hören dann von uns.

Das Stück zeigt nicht nur die Verzweiflung des arbeitslosen Menschen, der sich nutzlos fühlt in einer leistungsorientierten Gesellschaft, sondern auch die Grenzen des Arbeitgebers, der zwar am längeren Ast sitzt, aber eben nur eine Stelle zu vergeben hat. Ein junger Mensch verliert sein Selbstwertgefühl, bevor er es überhaupt erlangt hat und manövriert sich in eine Sackgasse, aus der kein Ausweg in Sicht ist. Oder doch?

Aufführungsrechte: Thomas Sessler Verlag

Auszug


SIE: Also, Herr… Herr… Ich soll mich noch mal setzen? Nein, ich werde mich nicht noch mal setzen. Sie wollen mir noch was sagen? Dann sagen Sie es. Ich habe keinen Bock, wieder auf einen Anruf zu warten, der nicht kommt.
ER: Aber…
SIE: Jajaja, Sie rufen an, und dann? Also, sagen Sie es mir gleich, dass Sie mich nicht wollen, sagen Sie es mir doch ins Gesicht, und dann haben wir es hinter uns. Los.
ER: Nein, Frau Eberstdorf, Sarah…
SIE: Und nennen Sie mich nicht Sarah. Wenn Sie mich einstellen würden, müssten Sie ja auch die Förmlichkeiten wahren. Oder? Oder nicht?
ER: Hören Sie, Frau Eberstdorf…
SIE äfft ihn nach: Hören Sie, Frau Eberstdorf…
ER: Frau…
SIE: Also: Nehmen Sie mich jetzt oder nicht?
Stille.
SIE: Nehmen Sie mich oder nicht?
ER: Das…
SIE: Nehmen Sie mich oder nicht?
ER: Bitte, setzen Sie sich doch wieder hin…
SIE: Nein. Falsch. Falsche Antwort.
Sie geht auf ihn zu.
SIE: Sie haben keine Ahnung, wie das ist, wenn man jahrelang auf einen Job wartet, um endlich auch mal ein wenig was zu verdienen. Nur ein wenig. Nicht viel. Nur so, dass man selbständig ein ganz normales und bescheidenes Leben führen kann. Ja, sicher, ich habe meine Schule abgebrochen. Aber dafür bin ich kein schlechter Mensch, kein schlechterer Mensch als jemand mit einem Schulabschluss in der Tasche. Ich will ja arbeiten, ich will. Aber man lässt mich nicht. Sie, ja, Sie lassen mich nicht. Es sind ja immer die gleichen Typen, die im superfeinen Anzug mit Krawatte und geschniegeltem Hemd hinter ihren Scheiß-Schreibtischen sitzen und super nett tun und auf Ich verstehe Sie und so, aber dann trauen Sie sich nicht, einem direkt ins Gesicht zu sagen, was Sie von einem halten. Dafür sind sie dann zu feige. Da lassen Sie dann die Sekretärin anrufen. Oder schicken einen Brief, das ist noch besser. Super, Brief, da weiß ich schon Bescheid. Immer das gleiche Geschwafel, muss man nur einen Namen einsetzen und weg damit. Wir haben uns leider für jemand anderen entschieden und viel Glück noch auf Ihrer weiteren Suche nach einem blöden elendigen Scheiß-Job, den Sie eh nie bekommen werden, weil Sie können ja nichts, also warum haben Sie überhaupt unsere Zeit vergeudet, Sie Loser?, bleiben Sie doch zu Hause und lassen Sie sich ein Kind in den Bauch ficken und dann leben Sie vom Kindergeld und hoffen, dass aus dem nicht auch noch so ein Versager wird, wie Sie es sind.
Aber wissen Sie was, Herr… Scheiße, ich hab sogar Ihren Scheiß-Namen vergessen, aber wissen Sie was? Nicht mit mir. Ich lass mich doch nicht verarschen. Gibt es irgendeinen Grund, warum ich diesen verwichsten Verkaufsjob nicht machen könnte? Irgendeinen blöden Scheiß-Grund?
ER: Nein…
SIE: Nein, eben, es gibt keinen Grund. Und deswegen geben Sie mir jetzt diesen verfickten Job.
ER: Frau…
SIE: Nein, nix Frau Eberstdorf, setzen Sie sich hin, lassen Sie sich noch ein wenig Honig ums Maul schmieren, verlassen Sie bitte mein Büro, damit ich nie wieder etwas von Ihnen höre, nein, jetzt nicht mehr. Sie geben mir jetzt diesen Scheiß-Job und aus.
ER: Jetzt hören Sie…
SIE: Jetzt.
Sie greift in Ihre Tasche und zieht einen Revolver hervor, mit dem sie auf ihn zielt.
SIE: Jetzt. Weil mir reicht dieser Scheiß jetzt. So.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen stand schon mal unter Mordverdacht. Dieser ließ sich aber nur für recht kurze Zeit aufrechterhalten.

Ach, übrigens ...

wäre Corona nicht gewesen, wären in der Spielzeit 2019/2020 7 verschiedene Stücke von Raoul Biltgen in 9 verschiedenen Inszenierungen in 4 verschiedenen Ländern gespielt worden. Rekord verpasst.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Theaterstücke „Nick“, „Lovemark Heidi“, „Parzival“ und „Top Kick“ gibt es in serbischer Übersetzung.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen hat auch schon als Werbetexter gearbeitet, als Sekretär für eine internationale Beraterfirma und er hat auf einem Rolling Stones-Konzert Bier gezapft.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen hat 2 Mal die Drama Slam gewonnen, 2 Mal wurde er Zweiter, 2 Mal wurde er Dritter. Und das bei 6 Teilnahmen.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens erster erlernter Beruf war der des Schauspielers. Dann wurde er zusätzlich Schriftsteller. Seit einigen Jahren ist er auch noch Psychotherapeut, forensischer Therapeut und Sexualtherapeut.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen ist ein später Meister. Mit 45 Jahren hat er an der Donau Universität Krems den Master of Science gemacht. Seither darf er seinem Namen drei Buchstaben anhängen. Da hat sich der Aufwand doch gelohnt.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen hat in einem Musikvideo der österreichischen folk noir Band Son of the Velvet Rat mitgespielt.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Theaterstück „Der freie Fall“ war in der Auswahl der Eurodram 2018 und wurde in diesem Rahmen auf Griechisch übersetzt.

Ach, übrigens ...

die Uraufführungsproduktion von Raoul Biltgens Theaterstück „Parzival“ war für den Stella 2018 in der Kategorie „Herausragende Theaterproduktion für Kinder“ nominiert.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen schrieb fast zehn Jahre lang eine wöchentliche Liebes- und Sex-Kolumne unter dem Motto „Adam spricht – über alles, was sich Frauen nicht zu fragen und Männer nicht zu sagen trauen“.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen hat 22 bis 23 Tattoos. Ganz so genau weiß er es selbst nicht. Ist aber auch schwer zu wissen, da sich diese Zahl immer mal wieder ändert.

Ach, übrigens ...

im Jahr 2013 erschienen ganze 7 Anthologien mit Beiträgen von Raoul Biltgen. Das ist ein Rekord.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Theaterstück „Die Chance nach der Letzten“ gibt es auch in niedersorbischer und obersorbischer Übersetzung. Beide wurden 2012 am deutsch-sorbischen Volkstheater Bautzen gespielt.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen ist der Preisträger des niederländisch-deutschen Kinder- und Jugenddramatikerpreises 2017. Weitere drei seiner Stücken landeten in anderen Jahren auf der Shortlist.

Ach, übrigens ...

im Jahr 2021 war Raoul Biltgen regelmäßiger Gast der Satiresendung „De gudden Toun“ auf Radio 100,7 in Luxemburg. Dort nutzt er die Gelegenheit, sich mit dem jeweiligen Thema musikalisch auseinanderzusetzen und kommt damit zu Air Play seiner Songs.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen hat nicht nur in jungen Jahren Ballett gelernt, er hat auch lange vor seiner eigentlichen Karriere als Schauspieler Tanztheater gemacht.

Ach, übrigens ...

Jean-Michel Treinen bezeichnete Raoul Biltgens erste Buchveröffentlichung „Manchmal spreche ich sie aus“ in der Zeitung „Letzebuerger Land“ zwar „nicht als Meister-, aber als hochanständiges Gesellenstück“. Das reicht für den Anfang einer Autorenlaufbahn.

Ach, übrigens ...

bisher ein einziges Mal hat Raoul Biltgen Regie geführt: Im Sommer 2021 hat er sein eigenes Theaterstück „Wolf!“ für die Tiroler Volksschauspiele mit Sophie Berger inszeniert.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Kurzkrimi „Und dann macht es Boum“ erschien 2016 in einer kroatischen Übersetzung von Željka Gorički in „Revija malih knjizevnosti: Benelux“ bei booksa 2016

Ach, übrigens ...

manchmal schreibt Raoul Biltgen auch in seiner Muttersprache Luxemburgisch. Unter anderem gibt es bisher vier Theaterstücke, von denen drei Luxemburg zur Uraufführung kamen.

Ach, übrigens ...

auch Musik macht Raoul Biltgen gern. Für einige seiner Theaterstücke hat er Lieder getextet und komponiert, ab und zu nimmt er auch selbst Lieder auf, um sie zu veröffentlichen. Manche davon wurden schon im Radio gespielt.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Theaterstück „I will survive“ wurde als bisher einziges Theaterstück von Raoul Biltgen auch schon außerhalb Europas, nämlich in Shanghai und in Mexiko gespielt.

Ach, übrigens ...

2008 saß Raoul Biltgen in der Jury für den GLAUSER in der Kategorie „Roman“, 2020, 2021 und 2022 ist er in der Jury für die Wettbewerbe zeilen.lauf und schreib.art. Und 2022 wird es die GLAUSER-Jury in der Kategorie „Kurzkrimi“ sein (nachdem er den Preis 2021 selbst gewonnen hat)

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen wurde für sein Theaterstück ZEUGS mit dem Jugendjury-Preis bei den Mülheimer Theatertagen 2022 ausgezeichnet.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Roman „perfekt morden“ gibt es bisher als einziges seiner Werke auch als (ungekürztes) Hörbuch.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens mit dem GLAUSER 2021 ausgezeichneter Kurzkrimi „Der ruhende Pol“ wurde unter dem Titel „Quiet Pol“ in einer Übersetzung von Mary Tannert im US-amerikanischen Ellery Queen Mystery Magazine veröffentlicht.

Ach, übrigens ...

Es gibt bisher einen Text von Raoul Biltgen in spanischer Übersetzung: Den kurzen Monolog „Iván“, erschienen in „abril“ 2009. Die deutsche Fassung des Textes erschien 2007 in „einer spricht“ bei Op der Lay.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen hat mit ein paar Freunden 2008 einen eigenen Theaterverein mit Sitz in Wien gegründet. Seither machen sie als Plaisiranstalt Theater für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgens Liebes- und Sexkolumne „Adam spricht“ gibt es auch als Buch mit ganzen 69 Einblicken in das Liebes- und Sexleben der Männer.

Ach, übrigens ...

Raoul Biltgen wurde in der Uraufführung seines Stückes „VLAD“ im TAG in Wien 2012 durch die Plaisiranstalt gleich zwei Mal getötet: einmal in der Rolle des Pfarrers, einmal als Elvis. Überlebt hat er als Vampirjäger Hagen van Helsing. Das Mädel hat er am Ende trotzdem nicht bekommen.

Ach, übrigens ...

Juliane Auerböck von kulturfokus.at schrieb über die Uraufführung von Raoul Biltgens Stück „Phalli“ durch die Plaisiranstalt am TAG in Wien: „… Eine Meisterleistung der Plaisiranstalt und doch eine der merkwürdigsten Performances, die ich in letzter Zeit gesehen habe.“